Erinnern Sie sich noch an Anna? In meinem vorletzten Beitrag Old School gegen den Fachkräftemangel nahm ich Sie mit in die Welt von Bewerberin Anna, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz als Hotelfachfrau war. Anhand der Geschichten wurde bezeichnend klar, woran es bei vielen Arbeitgebern im Recruiting noch hakt. Es mangelt nicht am Budget oder an -vermeintlich- innovativen Recruiting Ideen, sondern an Respekt und gutem Benehmen – den Basics also.

In dem Beitrag ging es um Anna’s Erfahrungen in der ersten Bewerbungsphase. Aufgrund der großen Resonanz darauf, nehme ich Sie heute wieder mit in Anna’s Bewerberwelt und in ihre zweite Bewerbungsphase.

Ein Praktikum lässt tief blicken

Hotel A und B hatten sich ja selbst schon vorzeitig ins Aus geschossen – Sie erinnern sich. Im Rennen blieben Hotel C und D. Außerdem kam noch Hotel E ins Spiel, die in der ersten Bewerbungsphase ähnlich wie Hotel D mit vorbildlichem Verhalten der Bewerberin gegenüber auf sich aufmerksam machten.

Schauen wir nun also auf die Praktikumserfahrungen, die Anna bei den unterschiedlichen Hotels gemacht hat. Wie bereits in einer der vergangenen Kolumnen erläutert, lässt ein Praktikum tief blicken und lässt Schlüsse auf den Arbeitsalltag, das Betriebsklima als auch auf die Qualität des Arbeitgebers zu. Richtig gemacht, ist das Praktikum ein wertvolles Recruiting Tool.

Das veranschaulichen auch die folgenden Kurzgeschichten von Anna und ihren Praktika.

Hotel C

Bei der ersten Bewerbungsphase konnte Hotel C mit „unauffindbarer“ Bewerbungsmappe nicht vollumfänglich glänzen, doch Anna gab ihnen die Chance sie beim Praktikum eines Besseren zu belehren. Diese Erfahrungen sollten ihr die Basis zu einer fundierten Entscheidung liefern. Und das taten sie auch.

Das zweitägige Schnupperpraktikum war eines dieser typischen „ins Blaue“ hinein und ausschließlich im Service. Es gab keinen Plan, keine Struktur, eine eher spontane Betreuung und kein Feedback Gespräch am Ende. Ihrer Nachfrage nach einem Abschlussgespräch wurde folgendes entgegengesetzt: „Es gibt kein Gespräch. Wir melden uns.“ Muss ich noch ausführen, dass sie vergessen haben sich danach zu melden?

Der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass Anna sich mit den Kolleg/innen und der Serviceleitung wohl gefühlt hat – gereicht hat es dennoch nicht. Hotel C hat es also mehr als versäumt ihre ersten Fehler, die einer stimmigen Candidate Journey im Weg standen, wiedergutzumachen. Im Grunde genommen bestätigten sie Anna mit dem Praktikum in ihrem Hause sehr eindrücklich, dass ihr erster Eindruck und ihr Bauchgefühl nicht trügten. So haben sie ihr wenigstens die Entscheidung erleichtert.

Anna’s Fazit: Nette Kolleg/innen, aber nicht so gut organisiert und tendenziell dürftige Kommunikation.

Hotel D

Wie Sie noch wissen war die Candidate Experience vom ersten Kontakt an durchgehend stimmig und positiv. Auf ihr Praktikum wurde Anna mit einem Plan vorbereitet, der sie frühzeitig mit allen relevanten Informationen versorgte: was, wann, wo, wer. Auch in diesem Fall sollte sich Anna’s erster Eindruck bestätigen.

Sie wurde herzlich empfangen, wahrgenommen und bekam in jeder Abteilung einen Betreuer zur Seite gestellt, der/die sie durch das fünftägige Praktikum führte und begleitete. Die Gestaltung des Praktikums richtete sich nach dem strukturierten Plan. Sie bekam einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Berufsfelder und durfte neben den üblichen Aufgaben auch schon direkt eigenständig arbeiten. Am Ende erhielt sie nicht nur ein Feedback, sondern durfte auch eines abgeben, und zwar direkt an den Hoteldirektor, der sich für das Abschlussgespräch Zeit nahm.

Anna’s Fazit: Freundliches Arbeitsumfeld, beste Organisation von allen, besten Einblicke in die beruflichen Perspektiven und Bereiche.

Hotel E

Von Hotel E war im letzten Beitrag über Anna noch nicht die Rede, da der Bewerbungsprozess nach der Veröffentlichung startete. Die Kommunikation war auch in diesem Fall durchweg positiv und von Wertschätzung geprägt. Sie lernte Hotel E auf einer Messe kennen, die sie mit ihren Eltern besuchte. Der Inhaber und Geschäftsführer des Hotelverbunds war persönlich zugegen und sprach sie an. Mit einer leidenschaftlichen Ansprache gelang es ihm, Anna für sich und sein Unternehmen zu begeistern und lud sie zu einem dreitägigen Praktikum ein (Unterkunft inklusive).

Vor Praktikumsbeginn erhielt sie einen detaillierten Plan mit Einsatzzeiten, -orten und Ansprechpartnern vor Ort. Sie bekam die Möglichkeit in allen Häusern in allen Bereichen schnuppern zu können. Der Plan sah sogar eine verlängerte Mittagspause vor, damit sie sich ihren potenziellen neuen Wohnort bei Tageslicht ansehen konnte. Ein wichtiges Detail übrigens, das von anderen zu oft übersehen wird. Am Ende der Schnuppertage gab es ein Feedbackgespräch mit der Direktorin aus einem der Häuser und ein weiteres mit dem Head Office. Bei beiden wurde auch ihr Feedback abgefragt.

Anna’s Fazit: Freundliches Arbeitsumfeld, die familiäre Atmosphäre, von der der Inhaber auf der Messe erzählte, gab es wirklich, sehr gute Organisation und Einblicke.

The winner is…

Wem vertraut Anna nun nach diesen praktischen Erfahrungen ihre Ausbildung an? Sie ist sich bewusst, dass dies keine leichtfertige Entscheidung ist. Das Rennen läuft zwischen Hotel D und E, die sie beide davon überzeugen konnten, ihr eine qualitativ hochwertige Ausbildung bieten zu können. Und nicht nur das: bei beiden hat sie sich wohl und gut aufgehoben gefühlt.

Schließlich entscheidet sie sich für Hotel E. Und warum?

  • Weil die Candidate Experience von vorne bis hinten stimmig war.
  • Weil der Inhaber ehrliches Interesse gezeigt hat (bei der Messe und vor Ort!) und die Mitarbeiter sich über seinen Besuch freuen, statt ihn zu fürchten, wie es sonst eher üblich ist.
  • Weil alle offen und freundlich auf sie zugekommen sind.
  • Weil sie flexibel genug waren, ihr eine Verbundsausbildung und vorherige Festanstellung zu bieten, um ihren Wünschen gerecht zu werden.
  • Weil der Standort (ihr neuer Wohnort) ihr von allen am ehesten zusagt.

Warum es zwei Gewinner gibt

Hotel D ist noch nicht ganz von der Bildfläche verschwunden und dafür hat der Direktor selbst gesorgt: mit Empathie und Weitsicht. Er zeigte sich bei Anna‘s telefonischer Absage verständnisvoll und schlug ihr vor in Kontakt zu bleiben. Zur Krönung versicherte er ihr noch, dass es immer einen Ausbildungsplatz in seinem Hause für sie geben wird. Sie solle sich nur melden und er mache es möglich.

Das ist Recruiting und ehrliche Wertschätzung par excellence. Mit dieser Reaktion hat der Direktor von Hotel D einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Früher oder später – ob für eine Ausbildung oder eine Festanstellung zu einem späteren Zeitpunkt – wird Anna sich bestimmt bei ihm melden. Und wenn nicht für sich, dann für Freunde oder Bekannte, denen sie nach dieser Erfahrung, Hotel D ganz sicher weiterempfehlen wird.

Nachhaltiges Recruiting mit ganz einfachen Mitteln

Hotel D und E sind am Ende beide Gewinner. Denn sie zeigen, wie Personalrekrutierung funktioniert und, dass es auch ohne die -aktuell gern bemühten- Floskeln um Work-Life-Balance, New Work und Co. von Erfolg gekrönt sein kann.

Genau so geht nachhaltiges Recruiting. Ganz einfach. Ohne Schnickschnack. Ohne Gebrüll. Mit Respekt, gutem Benehmen und Empathie.


Über den Verfasser: Michela Ivano ist als Head of Projects für die eto Personalmarketing GmbH tätig, die auch Veranstalter der Nacht der Hotellerie ist. Davor war sie über 15 Jahre lang in der Kreuzfahrt, der internationalen Hotellerie & Gastronomie und im Tourismus in operativen als auch in strategischen Positionen beschäftigt.

Die eto Personalmarketing GmbH mit Sitz in Bremen wurde 2016 von Hotel- & Touristikfachmann Jan Steffen gegründet. Die Mission: „escape the ordinary“. Die eto hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen mit Hilfe eines ehrlichen Personalmarketings bei der Bildung und Stärkung ihrer Arbeitgebermarken aktiv zu unterstützen und zu begleiten. Ein innovativer, ganzheitlicher Ansatz verbindet interne und externe Personalmarketingmaßnahmen und unterscheidet die eto Personalmarketing GmbH somit von klassischen Marketingagenturen. Weitere Informationen unter www.personalmarketing.rocks